Krysia Tincello ist eine Zweitzeugin. Ihre Mutter Helena, die vor rund drei Jahren verstorben ist, hat den Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiterin erlebt und überlebt. Weil Helena Tincello viele ihrer Eindrücke und Erlebnisse in Tagebüchern festhielt, ergreift ihre Tochter Krysia später die Chance und rekonstruiert deren Lebensgeschichte. Aktuell ist Krysia Tincello mit ihrem Ehemann Kevin Patterson in Paderborn zu Gast. Die Australierin berichtet in vier Paderborner Schulen über die Geschichte ihrer Mutter. Mitte der Woche begann die kleine Lesereise in der Aula des Gymnasiums Theodorianum in der Innenstadt.
Fünf Kapitel ihres für das Jahr 2025 geplanten Buches über die Geschichte ihrer Mutter habe sie bereits vollendet, sagte Krysia Tincello einführend. Anschließend sprach sie vor den Schülerinnen und Schülern über eine zunächst „wundervolle Kindheit“ von Helena Tincello, geb. Korneluk, die jedoch 1941, im Alter von 15 Jahren, als polnische Zwangsarbeiterin nach Sollstedt in Deutschland geschickt wurde und dort in einfachsten Verhältnissen lebte.
Mit der Befreiung durch die Alliierten1945 kam Helena Korneluk nach Paderborn in das DP-Camp in der ehemaligen Infanteriekaserne (später Alanbrooke Barracks) an der Elsener Straße. Von dort aus ging sie 1947 als Kinderkrankenschwester nach Bad Lippspringe, wo sie im Kinderheim Haus Ottilie tätig war. Aus dieser Zeit las Krysia Tincello den Ausschnitt eines Briefes vor, aus dem hervorging, „wie sehr meine Mutter gelitten hat“. 1949 erfolgte schließlich die Auswanderung nach Australien.
Die Suche nach dem ehemaligen Waisenhaus war es, die Krysia Tincello und Kevin Patterson schließlich im vergangenen Jahr nach Bad Lippspringe führte. Hier trafen die Beiden auf Jürgen Reuter, langjähriger Leiter des Rot-Kreuz-Museums im Ort, der im Vorfeld für das Paar Recherchen angestellt hatte und die diesjährige Reise organisiert. 2023 war Krysia Tincello bereits im Stadt- und Kreisarchiv Paderborn zu Gast, dem sie nach und nach die Unterlagen ihrer Mutter, zum Beispiel die Tagebücher, übergeben wird.
„Ich finde die Arbeit, die sie machen, ganz wunderbar“, sagte Paderborns stellvertretender Bürgermeister Dieter Honervogt. Da es Zeitzeugen bald nicht mehr geben werde, sei ein Engagement wie das von Krysia Tincello besonders wichtig. „Hass, Gewalt und Hetze dürfen keine Lösungen sein“, betonte Honervogt an die Schülerinnen und Schüler gewandt. „Als Gesellschaft müssen wir sicherstellen, dass das, was damals passiert ist, so nie wieder geschehen wird.“
Krysia Tincello und Kevin Patterson sind außerdem am Goerdeler-Gymnasium, an der Friedrich-Spee-Gesamtschule und an der Heinz-Nixdorf-Gesamtschule zu Gast.
Quelle: Stadt Paderborn, Amt für Öffentlichkeitsarbeit und Stadtmarketing